Renate trifft Maksym 1
Renate trifft Maksym 1
MissionMiteinander News

Menschen verbinden mit Musik

Eine ungewöhnlich Truppe schreitet über den roten Teppich der Hamburger Laeizhalle, einem der ältesten Konzerthäuser der Stadt: Vier Schülerinnen, eine Seniorin und eine Mutter haben an diesem Samstagnachmittag Karten für den georgischen Pianisten Giorgi Gigashvili. Viele von ihnen könnten sich diese Verantstaltung aus eigener Tasche nicht leisten. Dass sie alle trotzdem hier sind, verdanken sie dem Projekt „Renate trifft Maksym“ – und den R+V-lern, die dieses Projekt im Rahmen der MissionMiteinander unterstützt haben.

Gemeinsam mit einer Übersetzerin erleben Teilnehmerinnen wie die Seniorin Sigrid, die Schülerin Emma und die ukrainische Mutter Liliia heute Kultur, die verbindet anstatt zu trennen wie es Sprache, Alter oder Geld im Alltag oft tun. „Musik verbindet einfach, das funktioniert über alle Sprachen hinweg“, sagt Projektinitiatorin Christine Worch.

Schon neun Mal haben ungewöhnliche Begegnungen wie diese stattgefunden – in immer wieder neuen Konstellationen. Einen guten Teil der Treffen und der Organisationen drumherum finanzierte die MissionMiteinander mit 15.000 Euro. Zur Erinnerung: Die R+V hatte zu ihrem 100. Geburtstag im Jahr 2022 insgesamt 1,6 Millionen Euro für Projekte bereitgestellt, die eine bessere Zukunft schaffen. Die R+V-ler konnten für ihr Lieblingsprojekt abstimmen – und je mehr Kolleginnen und Kollegen einem Projekt ihre Stimme gegeben haben, desto höher fiel die finanzielle Unterstützung aus.

Zufälliger Kontakt

Projektinitiatorin Christine Worch ist Gründerin und Geschäftsführerin von KultistenHoch2. Der Kontakt zur R+V entstand über die Weihnachtsspendenaktion, bei der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den R+V Standorten Jahr für Jahr Gelder an gemeinnützige Organisationen spenden, die vom Vorstand verdoppelt werden. 2021 sah der Hamburger Standortleiter Jan Zeibig einen Fernsehbeitrag über ein anderes generationsübergreidendes Projekt der KultistenHoch2 und machte sich direkt stark, die Initiative mit den Weihnachtsspenden zu unterstützen. Er war es auch, der Worch mit ihrem aktuellen Projekt „Renate trifft Maksym“ auf die MissionMiteinander aufmerksam machte.

Die Idee des Projekts mit dem ungewöhnlichen Namen: Seniorinnen und Senioren bringen geflüchtete Kinder und Jugendliche sowie deren Familien auf andere Gedanken, indem sie mit ihnen Kunst- und Kulturveranstaltungen besuchen – und es ihnen damit auch erleichtern, in der neuen Heimat anzukommen. Der Name des Projekts geht auf die 78-Jährige Renate Meyer zurück, die eine ukrainische Familie bei sich aufgenommen hatte, darunter den damals 10-jährigen Maksym. „Das Projekt bringt Geflüchtete, Kultur und verschiedene Generationen zusammen – das finde ich sehr wichtig, wenn Menschen in einem fremden Land ankommen“, sagt Standortleiter Zeibig. „In meinen Augen verkörpert das genau die Werte der R+V.“

„Viele wissen wie es ist, alles zu verlieren.“

Auch Christine Worch begleitete die ein oder andere Gruppe zu den Kulturveranstaltungen – und ist immer wieder berührt von den Geschichten, die sie erfährt. Natürlich wird bei den Konzertbesuchen auch über den Krieg gesprochen: „Viele unserer Seniorinnen und Senioren wissen genau, wie es ist, alles zu verlieren und neu anzufangen“, sagt Worch in Anspielung auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg.

Schon seit mehr als sieben Jahren verbinden die KultistenHoch2 mit Konzerten, Museumsbesuchen und Theaterstücken die Generationen: Wer sich im Alter Kultur nicht leisten kann, bekommt von der Organisation das Ticket bezahlt und eine jugendliche Begleitung an die Seite – immer wechselnd, denn: „Die unterschiedlichen Begegnungen tun den älteren Leuten gut, sie gewöhnen sich an die Veränderung. Und hinzu kommt: Im Zusammentreffen mit Jüngeren gestatten sie es sich nicht, die üblichen Themen wie Schmerzen und Gebrechen ständig anzusprechen“, sagt Initiatorin Worch. „Manche sagen sogar, in der Gesellschaft werden sie selber wieder jung!“ Viele halten den Kontakt – auch, wenn die Kulturbegegnung beim nächsten Mal eine andere ist.

Renate und Maksym: Die ausführliche Geschichte

Rund 1700 Mal hat Worch so schon die Generationen vereint – und von den mittlerweile mehr als 600 Seniorinnen und Senioren sind noch immer 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ersten Stunde dabei. Auch eine ältere Dame namens Renate ist unter ihnen. Obwohl sie selbst unter Armut leidet, hat sie eine ukrainische Familie bei sich aufgenommen und direkt ins Herz geschlossen. „Irgendwann kam Renate auf die Idee, die Kultur auch ihrem Flüchtlingskind Maksym zu ermöglichen“, erläutert Worch die Geburtsstunde des interkulturellen Projekts, das sie liebevoll nach seinen beiden ersten Teilnehmern benannt hat. „Das klare Bekenntnis dieser Frau: „Ich helfe, komme, was wolle!“ hat mich beeindruckt und dazu animiert, ihre Idee zu unterstützen.“

Wie wichtig Musik nach traumatischen Erlebnissen sein kann, beschreibt Liliia, die Mutter einer der ukrainischen Schülerinnen, nach Gigashvilis Konzert mit dem Zitat eines unbekannten Autors: „Mit der richtigen Musik kannst du alles vergessen … oder dich an alles erinnern.“ Sie fügt hinzu: „Es ist sehr schwer, all die wunderbaren Emotionen zu beschreiben, die ich während und nach dem Konzert erlebt habe. Es war göttlich!“