Andrei Zschocke Booklet 2
Andrei Zschocke Booklet 2
ANDREI ZSCHOCKE:

Was gibt’s Neues vom grünen Wasserstoff?

Andrei Zschocke

Sie haben die großen Chancen von grünem Wasserstoff beim Zukunftsfestival 2022 erläutert. Was hat sich seither beim Entwicklungsstand dieser Technologie getan?
Der Wasserstoffmarkt entwickelt sich mit großen Schritten voran, was mich sehr freut. Was bislang eher eine politische Unterstützung war, in Form von strategischer Zielsetzung oder Forschungsförderung, wird jetzt in immer mehr wichtigen Märkten zu konkreter Industrieförderung grüner Wertschöpfungsketten. Im August letzten Jahres wurde in den USA der Inflation Reduction Act erlassen, das hatte Signalcharakter. Er schafft einen effektiven Rechtsrahmen für die Industrialisierung des grünen Wasserstoffmarkts und auch für andere Wasserstoffvarianten mit vermindertem Kohlendioxidausstoß. Quasi als Antwort darauf hat nun die EU den Net-Zero Industry Act veröffentlicht, der die Verbreitung in Europa beschleunigen wird.

Stärkt Wasserstoff die europäische Energieresilienz?
Der Ausfall von Erdgasimporten nach Deutschland, die an Pipelines gebunden sind, hat uns schmerzhaft gezeigt, wie wichtig Versorgungssicherheit ist. Grüner Wasserstoff und seine Derivate – zum Beispiel grüner Ammoniak – werden zunehmend als Option für neue Energieimportwege erkannt. Wir haben mit neuen, grünen Wertschöpfungsketten die Möglichkeit, mehrere Ziele gleichermaßen zu verfolgen: grüne Transformation, Energieresilienz und neue Impulse für Beschäftigung und Wirtschaftswachstum.

Wo findet die Veränderung konkret statt?
Betreiber von Anlagen zur Wasserstofferzeugung setzen zunehmend auf Reservierung von Elektrolysetechnologie, da sie darin einen Weg sehen, Projekte planbar umzusetzen. Lieferanten von marktreifer und großskaliger Technologie, wie unser Unternehmen thyssenkrupp nucera, können so am Markt punkten und ihrerseits mit konkreten Projektperspektiven die Lieferketten vorantreiben. So wurden in den letzten Monaten wichtige Verträge mit Abnehmern von grünem Wasserstoff abgeschlossen. Eine Bestätigung dafür, dass der Markthochlauf, also die Verbreitung grünen Wasserstoffs, eine nachhaltige Entwicklung ist.

Auf dem Zukunftsfestival war ein optimistischer Blick auf die Zukunft zu erleben: Lässt sich mit grünem Wasserstoff der Weltuntergang tatsächlich verschieben?
Die Anpassung an den im gewissen Umfang nicht mehr abwendbaren Klimawandel bleibt eine große Herausforderung. Die gute Nachricht ist: Wir als Gesellschaft haben das Wissen und die Technologie, um den Trend abzumildern. Entscheidend sind folgende Punkte: Wir müssen ins Handeln kommen und den Klimaschutz als eine gemeinsame Aufgabe zwischen Politik, Industrie und Gesellschaft im Allgemeinen begreifen. Wir müssen weiter an der Beschleunigung von Genehmigungen, Förderzusagen und Investitionsentscheidungen arbeiten. Und wir müssen die Akzeptanz des Prozesses unterstützen. In einem Umfeld mit einigen Unsicherheiten kann unsere Gesellschaft beherzt die nächsten erforderlichen Schritte einleiten und so weitere Verzögerungen vermeiden. Wir dürfen von der neuen grünen Wasserstoffwirtschaft keine Wunder erwarten. Wir sollten sie als das sehen, was sie ist: Ein essenzieller und zentraler Teil des Transformationsprozesses unserer Energiewirtschaft.